Zweieinhalb Menschen unterwegs

Schlagwort: Reise

Spongebob – oder: einen nassen Schwamm fahren

Seit wir am Mittwoch (01.06.) unseren Camper C22 bekamen, haben wir ca. 300 Meilen auf der Uhr. Wer noch nie ein Wohnmobil gefahren ist, weiß nicht so wirklich, worauf er sich vorbereiten muss. Ich schätze mich (wie wohl jeder Mann 😀 ) als recht guten Autofahrer ein, hatte aber vor den knapp 5.5 Tonnen Gewicht, der Größe und Länge doch Respekt.

Kurz nach der Abholung

Kurz nach der Abholung

Die Übergabe von El Monte war knackig und unkompliziert. Zur „Einstimmung“ und um uns mit dem RV (Recreational vehicle = Wohnmobil) vertraut zu machen, durften wir uns einen ca. 30min Film über alle Funktionen anschauen – untermalt von Pepes lautem Gebrabbel, da er aktuell gerne alles kommentiert. Da wir uns das nicht alles merken konnten haben wir den Film kurzerhand mit dem Telefon mitgefilmt. Zwar gibt es eine sehr umfangreiche Anleitung im RV (auch auf deutsch!) jedoch half uns selbst die später nicht immer weiter – dazu weiter unten mehr. Die Übergabe des RVs wurde durch einen lockeren aber offenbar sehr in seiner Rolle eingeübten Mitarbeiters von El Monte erledigt. Auf seine Frage, ob WIR denn noch Fragen zum RV hätten, waren wir in Anbetracht der Tausend Oktillionen Milliarden an möglichen Fragen etwas überfordert und dachten uns „wird schon“. Nach der Prüfung der grundlegenden Funktionen wie Herd, Kühlschrank, Klima, fließend, warmes (!) Wasser usw. und der Ergänzung einiger wohl „versehentlich“ im Protokoll vergessenen Kratzer am Fahrzeug haben wir unseren ganzen Kram aus dem Mietwagen in das RV geladen und fuhren Richtung Hertz, um den Mietwagen abzugeben.

Gegen 3:30 nachmittags ging es Richtung Wright’s Beach, unserem ersten Campground. Die Fahrt mit dem RV war anfangs sehr gewöhnungsbedürftig. Von einem Standardmietwagen über Tesla fahren hin zu einem ziemlich schweren Truck haben wir doch eine ganz schöne Brandbreite in wenigen Tagen durchlebt. Anfangs fuhr ich deutlich unter der erlaubten Maximalgeschwindigkeit von 65 Meilen. Kurven sind ein Erlebnis, da man merkt, wie einen das Gewicht nach außen drückt und man instinktiv Geschwindigkeit raus nimmt. Ich hatte noch nie in einem Fahrzeug das Gefühl, dass es wirklich mal umkippen könnte – bei diesem schon.

RV am Wright's Beach

RV am Wright’s Beach

Auch die Breite ist erstmal schwer einzuschätzen – wobei das bei einem Wohnmobil nur das zweitschwierigste Problem ist (die Höhe wird viel eher vergessen). Auf amerikanischen Straßen gibt es auf dem Mittelstreifen bzw. auf den Fahrbahnstreifen Rillen, die beim überfahren das Fahrzeug in leichte Vibration versetzen (vermutlich ein Standard-Müdigkeitswarner, den deutsche Autobauer eher in die Fahrzeuge einbauen). Die Straßen sind zwar sehr breit – jedoch wurden wir anfangs sehr häufig durchgeschüttelt 😀

Nach einigen Meilen hatte ich den Dreh aber raus und konnte bei den Bergfahrten auch die Gänge des Automatikgetriebes mit kürzerer Untersetzung nutzen um mit der Motorbremse die Bremsen zu schonen. In den Redwoods wurde es auf der Avenue of the Giants und dem Shoreline Highway durch die anderen RVs und Trucks oftmals recht eng, aber umsichtiges Fahren und einfach auch mal abbremsen half. Auch macht man sich durch eine Rege Nutzung der Turn Outs bei den anderen Autofahrern beliebt, die oft genug hinter einem her zuckeln.

Die Beschleunigung ist natürlich unterirdisch, aber darum geht es ja nicht. Vom Fahrverhalten hat man unwillkürlich den Eindruck, eine vollgesogenen Schwamm zu fahren, der immer mit etwas Verzögerung auf die eigenen Befehle reagiert :D. Auch säuft so ein RV wirklich viel – die Faustregel sagt man, dass die Länge in Fuß (unseres ist 22ft = 22 Fuß) ungefähr dem Verbrauch auf 100km entspricht. Vor dem ersten Tanken hatte ich kurz überschlagen, dass wir mit einem vollen Tank ca. 400 Meilen kommen würden. Als der Tank zu knapp 3/4 leer war, habe ich wieder vollgetankt – und für knapp 24 Gallonen (= 90Liter) ca. 70$ gezahlt!

Auf unserem ersten Campground mit Full Hook Up (= Vollversorgung mit Strom, Wasser und Dumpstation direkt am Platz) ging es daran, dass RV an die externen Versorger anzuschließen. Strom wird über ein Kabel, welches an der Rückseite des RVs hinter einer Klappe versteckt ist, einfach an den Verteiler zugeführt. Den Wasserschlauch für die externe Versorgung findet man im Trunk (Stauraum unter dem RV). Das Dumpen waren ein Erlebnis und es ist beim ersten Mal auf jeden Fall eine gewisse Sauerei. Handschuhe und etwas Ruhe sei empfohlen 😉

Natürlich gab es auch einige Sachen, die sich nicht lösen ließen. So wurde es, entgegen unserer Erwartungen, in den Nächten in Richtung Redwoods doch etwas kühler, so dass wir gerne die Heizung angestellt hätten. Es war uns aber nicht möglich, dies anhand der Anleitung zu bewerkstelligen, da eine Aktivierung des Thermostat nicht die Heizung anschaltetet. Überhaupt ist die Anleitung zwar umfangreich und ansich gut übersetzt, enthält aber leider so viele allgemeine Beschreibungen, die wohl auf bestimmte, aber eben nicht unser, RV zutreffen sowie Dopplungen und fehlende Absätze, dass man oftmals zwangsläufig zur englischen Variante griff. Leider traf auch auf diese die häufig allgemeinen und nicht für unser RV zutreffenden Beschreibungen zu.

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In den Redwoods

In den Redwoods

 

Ausblicke und Blickwinkel

Wir stehen gerade auf den Twin Peaks, der zweithöchsten Erhebung in San Francisco, von der man einen tollen Ausblick über die Stadt hat – wenn der Aussichtspunkt nicht gerade im dichten und für die Stadt bekannten Nebel liegt. Die Golden Gate Bridge halb im Nebel versunken ist wohl eines der bekanntesten Fotomotive, dabei ist es viel seltener einen klaren Blick auf diese zu erhaschen. So auch auf Twin Peaks, aber wir haben Glück, es ist sonnig und die Sicht gut. Pepe schläft währenddessen friedlich im Auto, es ist Mittagsschlafzeit und ich bin ganz begeistert, dass er nicht wach wird, weil wir stehen und er nicht mehr durch das sanfte Schunkeln unseres Mietwagens beruhigt wird. Unsere Reise und Tagesausflüge richten sich immer nach seinem Schlaf, denn dann ist er gut gelaunt und wir schließlich auch. Morgens wird zwischen neun und zehn im Bett verbracht und die restlichen zwei Schläfchen je nach Situation und Tagesplan.

Gestern waren wir im Año Nuevo State Park, in dem wir nach unserer Ankunft zunächst picknickten mit Kaffee und frischem Artischockenbrot aus Pescadero. Jana und Matthias konnten uns auch begleiten, da gestern Memorial Day war und somit ein Feiertag. Dementsprechend voll waren die Straßen, so dass Pepe auf unserer Rückkehr schon etwas quengelig wurde, weil er lieber im Bett sein wollte, als im Autositz. Der Park ist vor allem für die Seeelefanten bekannt, die nach einer kurzen und schönen Wanderung erreicht werden können. René hatte Pepe in der Trage und er schlief auf dem Weg dorthin, hatte aber auch die Möglichkeit die riesigen Säuger zu betrachten.


Mit Blick auf die Seeelefanten erzählten uns die lokalen Guides interessante Details zum Park und den Tieren und darüber hinaus auch, dass vor allem sehr viele Deutsche im Park anzutreffen sind. Überraschend erzählten wir mal wieder von unserer gemeinsamen Elternzeit, etwas völlig unübliches für die USA. In den meisten Bundesstaaten gibt es höchstens von den Firmen gewährten Mutterschutz, natürlich unbezahlt. San Francisco ist allerdings schon weiter und hat als erste amerikanische Stadt die Elternzeit mit vollem Lohnausgleich eingeführt: Vater oder Mutter können eine sechswöchige Auszeit nehmen, in der sie weiter voll bezahlt werden. 

Viele erste Male

Für uns ist die Elternzeit auf Reisen vor allem ein Sichtwechsel, eine willkommene Abwechslung und die Möglichkeit neues zu sehen und zu erleben. Doch was genau macht unsere Reise mit Pepe?


Gestern waren wir nachmittags am Strand mit unseren Freunden aus San Francisco, Grillen am Half Moon Bay und für unseren kleinen muss das eine Erfahrung mit allen Sinnen gewesen sein, die letztendlich so anstrengend war, dass er in Renés Schoß einschlief. Pepe hat das erste Mal den Pazifik rauschen gehört, Pelikane fliegen gesehen, Wellen brechen sehen, Sand in seinen Fingern und die warme kalifornische Sonne auf seinem Körper gespürt. Eine rundum Erfahrung aller Sinne, die für ihn absolut neu war im Vergleich zu unserem alltäglichen Leben in Berlin. Jana fragte mich gestern: „Meinst du seine Entwicklung verläuft anders durch seine Erfahrungen hier?“.


Ich denke nicht, dass Pepe sich anders entwickelt als zu Hause, aber dass er von den vielen Erfahrungen langfristig profitieren wird. Er erlebt viel Neues und Unterschiedliches, Gerüche, Geräusche, Geschmäcker, die von ihm aufgesaugt  werden, auch wenn er sich nie bewusst an diese erinnern wird. Aber sinnliche Erfahrungen kann ein Baby aufnehmen und speichern und wer weiß, wie ihn das als Menschen prägt?

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